«Ein gesundes Umfeld schaffen, wo man gern zur Arbeit kommt»

Christian, was bedeutet Gesundheit für dich ganz persönlich – jenseits von Ernährung und Sport?
Christian Mesenholl: Gesundheit – sowohl physische als auch psychische – ist die Grundlage für unser Sein. Nur als gesunder Mensch kann ich am Leben teilhaben, das Leben geniessen und mich auch im Miteinander einbringen und für die Menschen, die mir wichtig sind, da sein. All diese Kriterien wiederum sind die Bausteine für ein erfülltes Leben, also für unser Sein.
Grundlage der Gesundheit ist für mich eine optimistische Sicht auf die Dinge des Lebens. Das heisst nicht, schwierige Situation auszublenden und sich ihnen zu stellen, sondern den eigenen Einflussbereich zu nutzen, um Dinge zum Besseren zu wenden. Ein wenig reisserisch formuliert, bin ich lieber ein Optimist, der manchmal falsch liegt, als ein Pessimist, der immer richtig liegt.
Welche täglichen oder wöchentlichen Rituale helfen dir, deine mentale und körperliche Balance zu halten?
Rituale sind für mich bewusste, aber auch unbewusste Handlungen, um mich ausgeglichen zu fühlen und anderen zu zeigen, dass ich für sie da bin. Dazu gehören:
- Ausreichender Schlaf – und da darf ich mich glücklich schätzen, eigentlich noch nie unter Schlaf- oder Einschlafstörungen gelitten zu haben.
- Wiederkehrende Treffen und Aktivitäten mit Familie und Freunden, was vom jährlichen Treffen zur Velotour in den Bergen, hin zu regelmässigen Abmachungen mit Freunden oder ganz einfach dem gemeinsamen Nachtessen mit der Familie reicht.
- Sportlich ist es sicherlich die Ambition, mindestens zweimal wöchentlich Velo zu fahren oder im Winter irgendwie immer zur selben Zeit der Saison auf der Piste zu sein.
- Mental geniesse ich täglich die Zeit morgens im Café und eine Tageszeitung in Papierform für 15 bis 30 Minuten zu lesen. Im Winter sind es die langen Abende vor dem Cheminée, um ein Buch zu lesen. Mit meiner Frau spiele ich regelmässig Rumikub. Das gibt uns die Möglichkeit, über die täglichen Dinge des Paarseins zu reden.
- Beruflich haben wir in unserem Office spezielle Rituale eingeführt, wie beispielsweise den «Coffee & Cake Wednesday» oder die gemeinsame «Team-Currywurst», wenn ich das Frankfurt Office besuche. Das dient sicherlich nicht unbedingt meiner körperlichen Gesundheit; jedoch hilft es, ein gesundes Berufsumfeld zu schaffen, bei dem es Spass macht, zur Arbeit zu kommen.
Warum ist Betriebliches Gesundheitsmanagement im Finanzbereich von Bedeutung?
Gerade in der Finanzindustrie sind die Akteure doch häufig Getriebene auf der Suche nach dem Erfolg. Begriffe wie Positionierung und Position treiben das Handeln. Jedoch ist der Output des Handels total entfremdet und nicht fassbar. Wir produzieren Performance, Daten, Analysen und sonstige nicht fassbare Dinge. Gerade die Kombination aus Getriebensein-nach-Erfolg und dem abstrakten Output führt zu vielen mentalen Problemen, die uns final auch körperlich krank machen können. Daher ist als Ausgleich ein gesundes Leben – neben der Arbeit – ein wichtiger Aspekt.
Jedoch kommt es mir oftmals so vor, als seien die Akteure auch hier Getriebene: man konsumiert Sport oder man konsumiert Entspannung im Spa. Entspannung und Harmonie sehen für mich persönlich anders aus.
Von daher mag ich auch den Begriff «Gesundheitsmanagement» nicht. Wir bekämpfen Symptome, aber die Ursachen bleiben. Eine Umgestaltung des betrieblichen Umfelds, eine Anerkennung von Leistung und nicht nur des finanziellen Erfolgs und eine starke Unternehmenskultur könnten bei der Ursache ansetzen und ergänzt werden durch das betriebliche Angebot zur Stärkung unserer Gesundheit und Resilienz.

Die morgendliche Zeitungslektüre oder die Team-Currywurst: Christian Mesenholl nutzt Rituale für sein persönliches Gleichgewicht. Er ist Länderchef Schweiz für das Finanzanalyse-Unternehmen Morningstar und leitet den Bereich Zentraleuropa mit rund 100 Mitarbeitenden.
Woran merkst du im Alltag, dass in der Organisation die Spannung steigt – auch wenn offiziell alles läuft?
Das Bestreben, viel zu tun, ohne etwas zu bewegen sowie natürlich auch der steigende Zynismus in der Kommunikation untereinander ist ein Ausdruck negativer Spannung im System. Wir haben jedoch bei uns eine Unternehmenskultur geschaffen, die uns im Regelfall direkt und transparent miteinander kommunizieren lässt. Es ist üblich, dass Mitarbeitende ihre Sorgen oder aufkommende Spannungen teilen oder auch der Team Leader offen die Leute anspricht.
Wenn du jungen Führungskräften einen Rat für ihre langfristige Gesundheit mitgeben könntest: Welcher wäre das?
Versuche, dein Berufsleben selbstbestimmt und selbstverantwortlich zu führen. Das heisst, du kannst Dinge in eine positive Richtung lenken, indem du Verantwortung übernimmst, deine Meinung klar formulierst und konstruktive Vorschläge einbringst.
Es ist wichtig, einen Teamspirit aus gegenseitigem Respekt, Offenheit und Vertrauen zu schaffen. All diese Dinge lassen sich nicht einfordern; sie müssen vorgelebt werden.
Zudem solltest du die Sensibilität haben, zu erkennen, was du verändern kannst und was nicht. Wenn du merkst, dass du Dinge wirklich nicht verändern kannst, dann verändere dich selbst und versuche was Neues. Life is too short to deal with nonsense.