Florian, wie gehst Du im Alltag mit Zeit um?
Florian Wieser: Fluid. Ich versuche, morgens möglichst keine Termine zu haben. Meistens starte ich mit Niki, meiner Frau, mit einem Check-in. So komm ich schon mit ersten Reflexionen in den Tag und kann meinen Morgenflow pflegen und meine Produktivität nutzen. Ich folge keiner Tomato- oder Pareto- oder «Eat the Frog»-Methode. Sondern ich frage mich jeden Tag von neuem: Was hab ich Lust zu machen? Was braucht gerade Zuwendung? Worum möchte ich mich kümmern? Drückt was mit gefühlter Dringlichkeit?
Ich kommuniziere dann hauptsächlich asynchron über Chats, vorwiegend mit Audionachrichten oder Text. Telefonate versuche ich generell zu vermeiden. Ich hasse Telefonate. Das teile ich auch allen mit, die mit mir arbeiten wollen: «Don’t call me!» Es ist selten etwas so dringend, dass es einen Call braucht. Chatt’ mich an mit dem Thema, das dich beschäftigt oder schick’ mir eine Audionachricht, dann kann ich das asynchron beantworten, wenn ich mich darum kümmern kann. So habe ich eine höhere Qualität in der Kommunikation und im Inhalt der Antwort. Weil ich Zeit hatte, darüber nachzudenken und mich ganz dem Thema widmen kann. Den Ad-hoc-Stress in Calls hab ich abgeschafft und nur noch sehr selten.
Ich arbeite meist von zu Hause. Mittags kommen die Kids, da gibts ein paar kurze Touchpoints. Es fühlt sich nach Mittagspause an. Ich übe mich auch im Mittags-Schlaf ab und an.
Am Nachmittag hab ich meist Meetings oder Video-Konferenzen. Da plätschert es eher vor sich hin. Abends kommen dann Podcast-Aufnahmen oder Online-Live-Kurse oder mit Niki reflektieren.
Ich hab trainiert, dass alles eins ist. Damit ich nie in die Work-Life-Balance-Falle tappe, in der immer eines der beiden im Mangel sitzt und mich unglücklich macht.
Ich vermische alles und hebel so die üblichen Stressoren möglichst aus – möglichst fluid eben.
Arbeitest Du, wenn Du krank bist?
Ja. Ich bin sehr selten krank zum Glück. Und wenns mich richtig erwischt, dann akzeptiere ich das und klink mich aus. Dauert ja meist keine Ewigkeit bei mir, zu gesunden. Da hab ich wirklich Glück mit meiner Gesundheit. Wenn ich nur so angekränkelt bin, dann reduziere ich den Workload und ich bin sehr wählerisch, was ich mache und mit wem ich in Kontakt gehe. Ich mache also nicht nichts, aber ich kümmere mich, je nach Zustand, unterschiedlich um mich. Und dann kümmere ich mich auch mal überhaupt nicht um mich. Weil mich der Rappel reitet.
Wie kommst Du in den Flow?
Wenn ich ins Gestalten gehe. Wenn ich mich in etwas vertiefen mag. Wenn ich einfach muss und mich überwinden konnte. Oder mit LEGO Serious Play. Mit dieser Methode geht das In-den-Flow-Kommen – mit nur fünf Minuten zu einem Thema bauen – auf sicher. Alles, was mir Freude macht, sich nach neuer Energie anfühlt und wo ich meinen Ausdruck voll leben kann, da kommt der Flow mega schnell.
Als Pirat hat Florian Wieser die «pure Freiheit, alles zu tun, was Spass macht». Er ist Entdecker, Unangepasster, Inspirator und Multi-Unternehmer gleichzeitig.
Im Leben ist ihm die Freiheit, zu gestalten und sich selbst auszudrücken, wichtig. Im Beruf ermöglicht er Räume für persönliches Wachstum. Wie? Über Abenteuer natürlich.
Sein Buch über Well-Performing erscheint voraussichtlich im Frühjahr 2025.
Welche täglichen Gewohnheiten magst Du beibehalten?
Check-in mit Niki. Als Erstes über Themen reflektieren, die mich und uns oder Niki bewegen. Keine Telefonate. Mittags mit Kids-Touchpoints. Selbst-Check-ins über tags, wie es mir geht, was ich fühle, was mein Körper mir zu sagen hat. Ruhen, wenn ich das Signal nach Ruhe wahrnehme. Akzeptanz, was gerade ist und Selbsterlaubnis nähren, dass das, was und wie ich es mache, schon zu einem guten Leben beiträgt. Keinen Plan haben. Jeden Tag nehmen, wie er kommt. Voll der Intuition folgen.
Tiefpunkt: Was hat sich bewährt, um wieder aufzustehen?
Aus der Identifikation auszusteigen, dass ich was falsch gemacht habe. Warum das IMMER mir passiert, warum ich NIE das bekomme, was ich versuche zu bekommen, warum ALLE gegen mich sind oder ihnen ALLES gelingt. Ich bau mir sehr schnell wieder eine Perspektive, an der ich mich selber ausm Dreck ziehe. Ohne Perspektive ist es schwer auszuhalten für mich. Die Zeit, bis sich die Perspektive zeigt, kann anstrengend sein. Aber sie ist noch immer gekommen.
Dann suche ich sehr aktiv Gespräche und journale («Tagebuch» schreiben) mir das Elend aus jeder Körperzelle. Damit ich Raum habe für die neue Perspektive und ich ein Reset hinbekomme, wenn es sich so schwer und nicht erfolgreich und unglücklich anfühlt.
Ich hör mir auch immer mehr zu, wie ich in diesen Tiefpunkt-Momenten mit mir rede. Da kann ich noch viel lernen und dieser Stimme erlauben, mich besser zu behandeln. Auch das Bewusstsein, dass das alles nur temporär ist und wirklich vorbeigeht. Da schlaf ich auch gern mal einfach eine Nacht drüber, weil morgen ist nicht jetzt und es könnte alles anders sein. Ist es meist auch.